Stellungnahme zur Anwendung medizinischer Kenntnisse durch den Tiernotruf Saarland e.V. im Rahmen von Tierrettungseinsätzen
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesem Schreiben nehme ich Stellung zur rechtlichen Grundlage meiner Tätigkeit als medizinisch geschulter Einsatzleiter im Rahmen des Tiernotrufs Saarland e.V., insbesondere zur Anwendung medizinischer Erstmaßnahmen an verletzten oder in Not befindlichen Tieren.
1. Ausgangslage und Qualifikation
Ich verfüge über eine abgeschlossene Ausbildung als Rettungsassistent gemäß dem früher gültigen Rettungsassistentengesetz (RettAssG), welches vor Einführung des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst darstellte. Diese Ausbildung umfasst unter anderem:
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Erkennen und Beurteilen lebensbedrohlicher Zustände
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Durchführung lebensrettender Sofortmaßnahmen
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Versorgung von Traumata, Schockzuständen, Atem- und Kreislaufstillständen
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Lagerung, Monitoring, Hygienemaßnahmen, Wundversorgung
Ich verwende dieses Fachwissen ausschließlich im Rahmen von Erste-Hilfe-Maßnahmen an Tieren in akuten Notlagen und passe mein Wissen unter Beachtung der rechtlichen Grenzen auf Tiere an.
2. Rechtlicher Rahmen: § 34 StGB – Rechtfertigender Notstand
Die Anwendung medizinischer Hilfeleistungen an Tieren durch eine nicht-veterinärmedizinische Fachkraft stützt sich in Notsituationen auf den § 34 Strafgesetzbuch (StGB):
§ 34 StGB – Rechtfertigender Notstand
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt und die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.
Anwendbarkeit auf Tiere:
Auch das Leben und Wohlbefinden eines Tieres stellen in der Rechtsprechung anerkannte Rechtsgüter dar, die durch Notstandshandlungen geschützt werden können. Das ergibt sich unter anderem aus dem Staatsziel Tierschutz gemäß Art. 20a GG sowie dem Tierschutzgesetz (§ 1 TierSchG).
Daher ist es rechtlich zulässig, in akuten tierischen Notlagen, in denen ein Tier ohne sofortige Hilfe verenden oder dauerhaft leiden würde, fachkundige Erste Hilfe zu leisten, sofern keine veterinärmedizinische Hilfe zeitnah erreichbar ist.
3. Abgrenzung zur Tierärztlichen Tätigkeit
Ich betone ausdrücklich:
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Ich führe keine invasiven Eingriffe durch, die gem. § 1 Abs. 2 Tierärztegesetz (Tierärztliche Heilkunde) Tierärzten vorbehalten sind.
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Ich verabreiche keine Medikamente, insbesondere keine Betäubungsmittel, Antibiotika, Kortikosteroide oder Sedativa.
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Ich diagnostiziere nicht, sondern handele ausschließlich symptomorientiert auf Grundlage meiner medizinischen Kenntnisse – z. B. bei Atemnot, Hitzschlag, Kreislaufkollaps oder traumatischen Verletzungen.
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Ziel ist die Stabilisierung bis zur Übergabe an eine tierärztliche Fachkraft.
Dies entspricht in vollem Umfang dem rechtlich zulässigen Handlungsrahmen, vergleichbar mit dem Bereich der Ersten Hilfe am Menschen (§ 323c StGB) – übertragen auf Tiere in Not.
4. Zielsetzung und Verantwortung
Ziel ist es, vermeidbares Tierleid zu verhindern, ohne gegen veterinärrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Mein Handeln geschieht stets im Rahmen der Verhältnismäßigkeit, ausschließlich bei Notfällen, und ist durch fundierte Ausbildung sowie jahrelange Erfahrung im Rettungswesen geprägt.
5. Schlussfolgerung
Die Anwendung medizinischer Kenntnisse aus der Humanrettung auf Tiere im Notfall stellt keinen Verstoß gegen das Tierärztegesetz oder andere Rechtsnormen dar, sofern keine tierärztlichen Maßnahmen im engeren Sinne vorgenommen werden.
Im Gegenteil: Das Unterlassen einer Hilfeleistung in akuten Notsituationen könnte je nach Lage sogar strafbar sein (§ 323c StGB analog im Tierschutzkontext).
Die Tätigkeit des Tiernotrufs Saarland e.V. in diesem Bereich basiert auf:
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Fachlicher Kompetenz
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Gesetzlich gedecktem Notstandshandeln
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Verantwortung gegenüber dem Tierwohl
Und verdient nicht Diffamierung, sondern rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung.
Thorsten Jochum
Tiernotruf Saarland e.V.
13.06.2025